Wichtig! Ruhe bewahren und nicht in blinden Aktionismus verfallen!

Erfährt man von einem Kindesmissbrauchsfall, ist man empört, wütend, fassungslos und möchte die Täter bestraft sehen. Betroffenheit, Mitleid und möglicherweise eigene Kindheitserinnerungen lassen einen leicht kopflos werden. Aus den Erfahrungen vieler, mittlerweile erwachsener Opfer wissen wir: Unsicherheit, Beschämung, Angst und nicht selten massive Drohungen verschließen betroffenen Kindern den Mund. Vor allem aber die Befürchtung, dass ihnen niemand glaubt. Und wie leicht geht einem das über die Lippen: „Das kann ich mir nicht vorstellen.“ Verständlich, denn es ist unvorstellbar, dass der nette Nachbar, der Erzieher, vielleicht sogar der eigene Partner „so Einer ist“ – von Frauen als Täterinnen ganz zu schweigen! Mit diesen Gefühlen sollten Sie betroffene Kinder verschonen, denn bei heftigen Reaktionen kann es sein, dass die Kinder versuchen, Sie zu schonen!Wichtig ist es, betroffenen Kindern eine Vertrauensperson zu sein und zu signalisieren:

"Du kannst mit mir reden und ich glaube dir".

? Was tue ich, wenn mich ein Kind um Hilfe bittet?

Gesprächsempfehlungen:

Glauben Sie dem Kind!

- Versichern Sie ihm ausdrücklich, dass sie ihm glauben!
- Lassen Sie sich keinerlei Zweifel anmerken.
- Trösten Sie das Kind und bestärken Sie es darin, weiter über seine Erlebnisse zu berichten.
- Loben Sie es für seinen Mut!
- Verharmlosen sie keinesfalls die Situation!
- Es ist auch für Kinder kein Trost zu hören, dass etwas, dass sie als schrecklich empfinden, sooo schlimm doch gar nicht gewesen sein kann.
- Nehmen Sie dem Kind die Schuldgefühle!
- Machen sie ihm klar, dass der Täter/die Täterin allein schuldig ist.
- Bestätigen Sie dem Kind, dass der Täter/die Täterin gerecht bestraft werden wird.
- Kinder vertrauen auf Gerechtigkeit – lassen Sie ihnen bitte dieses Vertrauen.
- Nehmen Sie sich Zeit! „Da reden wir später drüber“ bedeutet so viel wie „Dein Problem ist mir nicht wichtig“ Später ist gleich NIE!!

! Sätze die Sie unbedingt vermeiden sollten:

- Das kann ich mir nicht vorstellen!
- Das war sicher nur ein Versehen.
- So schlimm war das doch gar nicht.
- Das hast du dir doch nicht etwa ausgedacht?
- Da bist aber auch selber schuld.
- Wie konntest du nur …so dumm sein? …so leichtgläubig sein? …dich in diese Gefahr begeben? …dich so aufreizend anziehen?
- Ich hab dir doch schon hundertmal gesagt, du sollst nicht…
- Du hörst ja nie auf mich!


!!!Solche Sätze (jeder einzelne davon!) sind absolute Vertrauens-Killer. Sie unterstellen dem Kind Unaufrichtigkeit, Ungehorsam oder gar Mitschuld. Sie machen das Opfer mundtot!

Der nächste Schritt

Wenn Sie den Verdacht haben, ein Kind sei missbraucht worden oder wird weiterhin missbraucht:

1.) Handeln Sie schnell, das Kind braucht dringend Hilfe! – 2.) Handeln Sie nicht allein!- 3.) Holen Sie professionelle Hilfe! ...

...denn für das Kind sind Sie die einzige Hoffnung aus einer lebenszerstörenden Situation!


Erhärtet sich ihr Verdacht, wenden Sie sich am besten unmittelbar an die Polizei und/oder das örtliche Jugendamt. Stellen Sie keine Nachforschungen auf eigene Faust an! Nichts ist rufschädigender und gefährlicher als „private Ermittlungen“ – sowohl für Sie selbst, als auch für das betroffene Kind. Sprechen Sie offen mit den Fachleuten von Polizei, Jugendamt und den Beratungsstellen, aber vermeiden Sie bitte Tratsch und Klatsch.

Sprechen Sie mit dem mutmaßlichen Opfer, aber verhören Sie es nicht! Machen Sie ihm Mut, offen zu sprechen, aber bohren Sie nicht in Detailfragen herum! Fachleute können die Situation besser klären, wenn die Kinder nicht durch „Fremdbefragungen“ vorbereitet sind. Es kann vorkommen, dass ein Kind, wenn man es stark bedrängt, eine Geschichte erfindet – einfach um ein braves Kind zu sein, oder um seine Ruhe zu haben. Es kann auch passieren, dass ein misshandeltes Kind den falschen Täter benennt, insbesondere wenn zwischen Opfer und Täter eine starke emotionale Bindung besteht. Das Kind lügt nicht etwa absichtlich – es ist nur in einem sehr schweren Konflikt gefangen.  Holen Sie professionelle Hilfe! Überlassen Sie die Ermittlung und Verurteilung des Täters den zuständigen Behörden.

Der nächste Schritt

Wenn Sie sicher sind, dass ein Kind missbraucht wurde oder noch wird:

!!! Melden Sie es sofort der Polizei: 110
Kindesmissbrauch ist kein Kavaliersdelikt, sondern eine schwere Straftat.
Die Polizei ist verpflichtet (und gerne bereit!), sofort einzugreifen.

Ohne Anzeige der Straftat - können Polizei und Staatsanwaltschaft nicht tätig werden – wird die Tat nicht aufgeklärt - bleibt der Täter unentdeckt und unbestraft - kann der Täter weiterhin Kindern schaden.

Schützen Sie also die Opfer, denn ein Täter hat oft bis zur Verurteilung bis zu 100 Opfer: Zeigen Sie jeden Missbrauch an!

"Darf ich denn jemanden anzeigen?"

Jedermann, egal ob ein Elternteil, ein(e) Verwandte(r), ein(e) Nachbar(in) oder ein(e) Freund(in), ein(e) Lehrer(in) des Opfers sowie auch das Opfer selbst können die Polizei benachrichtigen. Auch Kinder können Anzeige erstatten.

"Wo soll ich die Anzeige stellen?"

Jede Polizeidienststelle kann Ihre Anzeige entgegennehmen, sowohl persönlich als auch schriftlich oder fernmündlich (per Telefon). In dringenden Notfällen wählen Sie bitte 110 – die Beamten kommen dann zu Ihnen, oder nennen Ihnen die nächste Polizeiwache in Ihrer Nähe.

"Muss ich meinen Namen nennen?" 

Die Anzeige kann anonym oder pseudonym erfolgen. Sie muss auch dann entgegengenommen werden, die Strafverfolgungsbehörden sind zur Klärung des Sachverhalts gesetzlich verpflichtet. Eine namentliche und persönliche Anzeige ist jedoch ratsam, besonders dann, wenn Sie über den Verlauf der Ermittlungen informiert bleiben möchten.

"Und wenn ich mich irre?" 

Irren ist menschlich, dafür macht Ihnen keiner einen Vorwurf. Viel schlimmer ist es, wenn Sie sich nicht irren, aber trotzdem schweigen! Wenn Sie sich unsicher sind, ist es ratsam einen konkreten Verdacht erst mit den Fachleuten einer Beratungsstelle zu klären. Immerhin: Eine Strafanzeige kann nicht zurückgenommen werden. Die Polizei muss bei Bekanntwerden der Tat ermitteln. (Eine absichtliche Falschmeldung kann strafbar sein. Aber das würden Sie ja nicht tun!)

"Das ist aber schon eine zeitlang her…"

Wichtig: Bei sexuellem Missbrauch von Kindern ruht die Verjährung bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres des Opfers. Das heißt, dass das Opfer bis zu seinem 28. Lebensjahr gegen den Täter strafrechtlich vorgehen kann. Sollten Sie sich nicht sofort zu einer Anzeige entschließen können, machen Sie sich Notizen zu Einzelheiten, die für eine spätere Strafanzeige wichtig sein können, z.B.: das Verhalten des Kindes, das Erzählte, eigene Beobachtungen, Datum und Uhrzeit der Vorfälle Zeugen (mit Namen und Anschrift) oder deren Aussagen. Denken Sie auch daran, eine Ärztin oder einen Arzt einzuschalten, und in jedem Fall eine Beratungsstelle aufzusuchen.

 


 
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